„Der Stein hat nun auch uns erreicht“
Heilige in Togo sehen Daniels Stein durch ihr Land rollen
Dieudonné Attiogbe arbeitete für die Botschaft der Republik Togo in London, als er 1989 Missionare der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage kennenlernte. Anfangs war er nicht sehr offen dafür, einen anderen Glauben als den katholischen, in dem er erzogen worden war, in Erwägung zu ziehen. Nachdem er jedoch das Buch Mormon gelesen hatte, nahm er das wiederhergestellte Evangelium an und ließ sich taufen. Soweit er wusste, war er das einzige Mitglied der Kirche aus seinem Land.
„Als ich mich taufen ließ, musste ich einen Tag darauf, am folgenden Morgen, auf dem Weg zur Arbeit viel weinen“, erzählte Attiogbe. „Ich weinte – ja, fast den ganzen Tag lang habe ich geweint. Ich musste an die Menschen in meinem Land denken. … Als ich mich taufen ließ, war mein erstes Ziel, das Evangelium in Togo zu verbreiten. Ich wollte als Erstes meiner Familie davon erzählen und auch meinen Freunden.“
Rückkehr in die Heimat
In Ländern Westafrikas wie Ghana und Nigeria gab es die Kirche Ende der 80er-Jahre bereits seit über zehn Jahren, aber als Attiogbe nach Togo zurückkehrte, war er hinsichtlich seines neuen Glaubens auf sich allein gestellt. Die Kirche fehlte ihm sehr.
„Ich habe die Kirche sehr vermisst“, sagte er. „Ich wusste nicht, wohin ich mich wenden sollte, denn die Kirche war Teil meines Alltags geworden. Mir fehlte etwas, und ich fing an, danach zu suchen.“
Ohne zu wissen, was er alleine tun sollte, besuchte Attiogbe einige bestehende Gemeinden im benachbarten Accra in Ghana und etwas weiter westlich in der Elfenbeinküste. Attiogbe meinte, er war „nur dorthin [gegangen], um den Geist der Kirche zu spüren“, doch seine Besuche erwiesen sich aus einem anderen Grund als segensreich. In Ghana wurde Attiogbe vom Emmanuel Kissi, einem Führungsbeamten der Kirche, dazu ermutigt, seinen Traum zu verfolgen, die Gründung der Kirche in Togo zu erleben. Kissi riet ihm, sich an den für Afrika zuständigen Hauptsitz der Kirche im südafrikanischen Johannesburg zu wenden.
„Er ermunterte mich, einen Brief an die dortigen Führer der Kirche zu schreiben“, erzählte Attiogbe. Mit dem Beistand Kissis fühlte sich Attiogbe weniger allein. „Er unterstützte mich darin, etwas in Togo zu bewerkstelligen. Und er meinte, da ich Englisch sprechen könne, ein wenig jedenfalls, und Französisch, könne ich zum Wachstum der Kirche in Togo beitragen.“ Die Kirche in ein Land mit nahezu fünf Millionen Einwohner zu bringen muss dennoch beängstigend gewesen sein, aber Attiogbe fasste frischen Mut. „In Ordnung, wir versuchen es“, sagte er Kissi, „warum nicht?“
Erste Kontakte und Zusammenkünfte
Es stellte sich heraus, dass Attiogbe gar nicht so allein war, wie er befürchtet hatte. Als Antwort auf seine Bemühungen ließ das Büro der Kirche in Johannesburg Attiogbe eine Liste von mehreren Togoern, die sich im Ausland hatten taufen lassen, samt deren Adressen zukommen. Attiogbe schrieb jeden Einzelnen an und traf sich im Laufe der Zeit mit ihnen, um über das Evangelium zu sprechen.
Zusammen mit Koffi Afangbedji, der sich in Dänemark der Kirche angeschlossen hatte, und Agnon Didier baute Attiogbe etwa 1996 eine kleine Gruppe Heiliger der Letzten Tage in Togo auf. Die Gruppe traf sich in einem kleinen Raum, den Attiogbe in einem Dorf namens Nkafu beschaffen konnte. Manchmal saßen bis zu drei Personen auf einem Stuhl. Attiogbes Sohn begleitete den Gesang auf einem Spielzeugklavier.
Dennoch hat Nowah Afangbedji, der damals nur ein Kind war, gute Erinnerungen an die Anfangszeit der Kirche in Togo.
„Wir haben Freude gehabt“, sagte er. „Es war sehr schön. Allein wenn ich daran denke – es war wirklich etwas Besonderes.“
Errichtung der Kirche
Mit der Hilfe von Kissi und John Buah, einem Führungsbeamten der Kirche aus Ghana, trat Michel Avegnon – der ursprünglich aus Togo stammte, sich 1991 in Ghana der Kirche angeschlossen und dort von 1993 bis 1995 eine Vollzeitmission erfüllt hatte – im Jahr 1997 mit Attiogbe in Kontakt und half bei der Organisation der Gruppe.
James Mason, der Präsident des Gebiets Afrika, organisierte die Gruppe Lomé in Togo offiziell im Juli 1997. Didier wurde als präsidierender Ältester und Avegnon als Assistent zum Gruppenleiter berufen, der für die Missionsarbeit in Togo zuständig war.
Doch als Avegnon anfing, seine Aufgabe zu erfüllen, hatte Attiogbe bereits viele Interessierte gefunden. Die ersten Taufen in Togo fanden einige Monate später, am 20. September 1997, im Schwimmbecken eines Hotels statt.„Diese Zeit war für uns etwas ganz Besonderes“, erinnerte sich Attiogbe. „Wir bereiteten unsere Familien vor, also die Familien derer, die schon getauft waren. Dann kamen die Missionare. Wir unterwiesen unsere Angehörigen gemeinsam und bereiteten sie auf die Taufe vor. Beim ersten Taufgottesdienst ließen sich vierzehn Leute taufen. Als wir daran teilnahmen, empfanden wir dies als einen ganz besonderen Tag.“
Nowah Afangbedji, einer der vierzehn Täuflinge, erklärte, er werde diesen Tag nie vergessen.
„Es war wundervoll“, sagte er. „Die Gefühle, die ich dort hatte, die reinigende Macht, die ich verspürte, und der Geist des Herrn, der meine Seele und alle Anwesenden erfüllte – die Freude, die wir an diesem Tag empfanden, war wirklich etwas ganz Besonderes.“
Für Attiogbe war dies der Höhepunkt jahrelanger Arbeit und Träume.
„An diesem Tag habe ich mich so gefreut, da ich daran zurückdachte, wie ich selbst das Evangelium angenommen hatte“, erzählte er. „Als man mit mir über das Evangelium sprach, war es nicht leicht, aber als ich es annahm, tat ich dies mit ganzem Herzen, und ich nahm mir vor, nach meiner Rückkehr auch meinen Landsleuten in Togo davon zu erzählen, weil ich so begeistert war. An ebendiesem Tag wurde mir bewusst, dass dies der Tag war, und es stimmte mich sehr glücklich, dass das, was ich erhofft hatte, wahr wurde. Die Menschen ließen sich taufen und … das war erst der Anfang. Mit dem Segen des Herrn würde alles auf die rechte Weise geschehen.“
Das Reich geht voran
Weniger als zwei Jahre später wurde Togo Teil der Elfenbeinküste-Mission Abidjan, und im Februar 1999 nahm ein Missionarsehepaar, Demoine und Joyce Findlay, die Missionsarbeit im Land auf. Der Zweig Lomé wurde noch im selben Monat gegründet, und Dieudonné Attiogbe wurde der erste Zweigpräsident.
„Die Begeisterung der Mitglieder war allein schon dadurch ersichtlich, dass die meisten von ihnen [an diesem Tag] bereits über eine Stunde vor Beginn auf ihrem Platz saßen“, schrieb Joyce Findlay. „Erwachsene und Kinder saßen andächtig da und lauschten den aufgenommenen Kirchenliedern in dem neuen Gebäude, das kurz zuvor von der Verwaltung der Kirche im Büro des Gebiets Afrika West erworben und hervorragend vorbereitet worden war. Die Freude, die die neuen Führer der Kirche verspürten, kam klar in ihren Zeugnissen zum Ausdruck. Der neu berufene Zweigpräsident Dieudonné Attiogbe sagte: ‚Ich hatte jedem erzählt, dass die Kirche eines Tages auch in Togo sein würde, und heute ist es soweit.‘“
Jahre später, 2009 – nur zwei Wochen, nachdem Nowah Afangbedji von seiner Vollzeitmission in Nigeria zurückgekehrt war –, wurde der erste Distrikt Togos gegründet.
„Jetzt erkenne ich, dass all die kleinen Schritte, die wir damals unternahmen, eine feste Grundlage für das großartige Werk waren, an dem wir uns heute erfreuen“, erklärte Nowah. „In der zweiten Woche nach meiner Mission wurde der Distrikt gegründet und ich betrachtete die Anwesenden – vier Zweige, die versammelt waren und gemeinsam sangen. Ich musste daran zurückdenken, wie wir uns ein paar Jahre zuvor noch in Grüppchen in einem kleinen Raum getroffen hatten. Wie kam es, dass unsere Gruppe so stark geworden war? Ich konnte in mir spüren, dass keine unheilige Hand den Fortschritt des Werks unseres himmlischen Vaters aufhalten kann.“
Für Attiogbe sind die heute über 1500 Mitglieder der Kirche in Togo
die Erfüllung einer Prophezeiung, von der er das Vorrecht hatte, sie am eigenen Leibe zu erfahren.„Heute weiß ich, dass das Evangelium, … das hier in Lomé verbreitet wird, … nur ein Teil des Steins ist, von dem Daniel in der Bibel spricht“, meinte Attiogbe. „Dieser Stein hat nun auch uns erreicht. Das spüre ich in mir. Ich glaube, dass die Prophezeiung des Propheten Daniel gegenwärtig in meinem Heimatland erfüllt wird, und das stimmt mich sehr glücklich.“
Fußnoten
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